Christian ist im April 1991 in Mödling im Sternzeichen des Widders geboren. Und das ist er oft auch - dickköpfig und stur. Christian ist leider von (Früh-) Geburt an geistig behindert und vollblind. Zudem muß er noch ständig Medikamente gegen seine epileptische Anfallsbereitschaft einnehmen, die Gott sei Dank die meiste Zeit wirksam sind. Er weist auch zwanghafte Verhaltensweisen auf; in den ersten Lebensjahren lag die Diagnose “frühkindlicher Autismus” nahe, die mittlerweile bestätigt ist, doch zusätzlich leidet er auch noch an Zwängen, insbesonders an Tics, einer körperlichen Ausprägung des sogenannten Tourette-Syndroms. Wieviel er davon aktiv mitbekommt wissen wir nicht, wir müssen seine Störungen, Zwänge und Tics jedoch täglich zig-mal ertragen ...
Abseits dieser Handicaps scheint Christian in den guten “klareren Momenten” ein glücklicher und zufriedener junger Mann zu sein. Christian ist seit cirka 2004 in der Pubertät - zumindest körperlich. Christian lässt sich nicht mit anderen Menschen vergleichen; aus seiner Sicht wird er vermutlich oft in erster Linie von anderen Menschen behindert und nicht durch sich selbst. Das macht ihn zeitweise sehr aggressiv - aber wer würde nicht genauso reagieren? Christian hat wie jeder andere Mensch auch besondere Bedürfnisse und Vorlieben. So gesehen unterscheidet er sich kaum von anderen.
In seiner Freizeit liebt er Autofahrten, kleinere Spaziergänge und bis cirka 2007 auch kleinere Wanderungen (rund um Flatz und auf die Wiener Hausberge). Bis Ende des Jahres 2006 genoss er auch sehr seine wöchentliche Übungseinheit mit dem Therapiepferd “Santé” im Reitstall Kanzelhof bei Lanzendorf. Da wurde er schon ein richtiger “Pferdeartist” ... (aber bis auf weiteres ist beim Reiten wegen seiner starken Tics eine Pause angesagt).
Neben diesen Aktivitäten liebt Christian alle Arten von Musik und Geschichten zu hören. Aufmerksamer als jeder andere Mensch kann er stundenlang gespannt zuhören und merkt sich auch was davon! Lange hat er nur Kindergeschichten gehört (zum Beispiel “Nino und das Geheimnis des Friedens”), mittlerweile mag er auch Geschichten für Teenager und Erwachsene. Hauptsache, sie werden lebhaft und spannend erzählt. Wenn zwischendurch spezielle Geräusche oder etwas Musik eingeflochten sind gefällt es ihm umso besser. Wer die Geschichten vorträgt (also Mama, Papa oder ein Erzähler von der CD) ist ihm dann ziemlich egal ... Daher ist der momentane Trend zu Hörbüchern für Christian ein Segen weil das Angebot stark steigt! Ins Kino sind wir dementsprechend mit ihm auch schon ein paar mal gegangen - für ihn ist das eine Kombination aus Geschichten hören und Popcorn ... habe ich schon erwähnt das Essen aus seiner Sicht auch eine tolle Bechäftigung ist ?
Vor einigen Jahren war es ein Zeit lang auch tatsächlich möglich, ihm kleinere Haushaltsarbeiten aufzutragen die er willig und sorgfältig erledigte. Ja er wartete offensichtlich sogar auf diese Aufträge ...damit ihm nicht fad wird ...
Trotzdem ist Christian körperlich unausgelastet. Radfahren am Tandem haben wir mehrfach probiert - aber er trat nicht mit sondern liess sich nur genüsslich den Fahrtwind ins Gesicht wehen; das ging also nicht ... Schwimmen würde sich ebenfalls anbieten, konnte oder wollte er aber nicht erlernen. Tauchen gefällt ihm viel besser. Dann taucht er am Beckenrand zum Boden hinunter und versucht so lange als möglich unten zu bleiben. Das beherrscht er und es scheint gefahrlos zu sein. Allerdings hantelt er sich zusätzlich bei jedem Badbesuch auch liebend gerne am Beckenrand rund um das Becken; Badegäste am Beckenrand, die ihm das Weiterkommen vereiteln würden, drängt er einfach weg - und so geht es ja auch nicht ... Erziehungsversuche endeten jedesmal in Tobsuchtsanfällen und Erschöpfungszuständen bei ihm und uns Eltern - so haben wir die Badbesuche aufgeben müssen. Um zumindest seine Muskeln und Sehnen zu trainieren bieten sich einzelne Sparten der Leichtathlethik an. Laufen mit Partner, Ballwerfen sowie Kugelstoßen wären die erfolgversprechendsten Bereiche. Doch das Laufen macht ihm nur über maximal 30 Meter Spaß (dann hört er einfach auf) und die Wurftechnik beim Ballwerfen oder Kugelstoßen scheint er nicht zu verstehen ... es ist also nahezu unmöglich dafür zu sorgen, daß Christian am Abend körperlich erschöpft ins Bett fällt ...
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Erich Fried
Freizeitgestaltung und Sport
Christian speichert zwar sehr viel Gehörtes, aber Christians Lernen führt großteils über körperliche Arbeit. Christian besuchte bis Juni 2007 die Landessonderschule Hinterbrühl und fühlte sich dort sehr wohl, weil seine Lehrerinnen und Betreuer/innen seine Möglichkeiten von Anfang an erkannten und förderten. Nachdem Christian seine Schulzeit 2007 beendete ohne Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt zu haben, war der nächste logische Schritt im August 2007 der Wechsel in die Tageswerkstatt der Lebenshilfe Mödling. Dort fand er in deren Tischlerei/Töpferei einen geeigneten Arbeitsplatz an dem er gefordert und gefördert wurde, sich gut in eine Gruppe behinderter Menschen unterschiedlichen Alters integrieren konnte und sich entsprechend wohl fühlte. Der Schwerpunkt seiner Arbeit war dabei das manuelle Abschleifen diverser Holzteile, wobei ihm nicht langweilig wurde. Anlässlich unserer Übersiedlung nach Flatz wechselte Christian im Juli 2012 problemlos (!) von Mödling in die Tageswerkstatt der Lebenshilfe Puchberg mit vorerst nahezu unverändertem Tätigkeitsfeld und späterem “Perlen auf Kette fädeln”.
Zu den ihm aufgetragenen kleineren Haushaltsarbeiten gehörte zwischen 2007 und 2011 das Abwischen von Geschirr und Besteck, das Wegräumen von Geschirr, Besteck, Kleidung und Haushaltsgegenständen. Christian freute sich dabei wie jeder andere Mensch über Lob und ärgerte sich über (selten nötigen) Tadel. Zumindest das Essgeschirr räumt er immer noch ab. Da er wie viele blinden Menschen aus der Notwendigkeit des Suchen/Findens heraus sehr ordnungsliebend ist (pedantisch, um korrekt zu sein) versteht er sehr gut, daß alles seinen fixen richtigen Platz haben muß. Da er sein Umfeld auch gerne sauber hat, hilft er notfalls auch beim Wischen (er mag Berührungen mit unerwarteten Cremes, Saucen oder ähnlich Nassem nicht sonderlich). Mit seiner gut ausgeprägten Feinmotorik reizen ihn auch Arbeiten bei denen Steck- oder Schraubverbindungen herzustellen sind.
Christian wohnt seit 2 Monaten nach seiner Geburt bei uns zu Hause. Wir haben seit vielen Jahren für ihn den Plan, daß er sich um seinen 25. Geburtstag herum (+/- 1 Jahr) auch beim Wohnen von uns Eltern abnabeln sollte wie die meisten “normalen” Twens auch. Seine früheren Betreuer/innen meinten bis cirka 2010, daß er die notwendige soziale Reife und Selbstständigkeit erreicht hätte, um in eine sogenannte betreute Wohngemeinschaft der Lebenshilfe oder Caritas ziehen zu können. Das wäre sicher persönlicher als die herkömmliche Situation in einem Wohnheim. (Wobei wir nicht wussten ob Christian eine Heimsituation wirklich belasten würde.) Doch seit cirka 2010 war er deutlich schwieriger zu betreuen und wir wussten lange nicht, was davon funktionieren könnte. Wie in seinem Fall die Betreuung konkret aussehen müsste, ob es ein “Probewohnen” gibt, und ob er dort auch übers Weekend wohnen kann aber nicht muß, waren Punkte die für die Zukunft noch durch uns zu klären waren.
Bis Januar 2018 hatte sich an dieser Ausgangssituation wenig geändert. Es war zu diesem Zeitpunkt lediglich klar, daß Christian mit den in der Zwischenzeit zusätzlich manifestierten Behinderungen und Störungen mehr Betreuung benötigt als dies in einer betreuten Wohngemeinschaft der Fall wäre. Christian wird im April 2018 nun bereits 27 Jahre alt und steht allem Anschein nach relativ knapp vor dem Ende seiner “Pubertät”. Den seinerzeit im Plan gesetzten Zeitrahmen haben wir überschritten, weil wir auf einen “besten” Zeitpunkt warten wollten. Der schien uns erst Ende 2017 erreicht zu sein. Da ich mit Wartezeiten bis zu 3 Jahren rechnen musste, haben wir uns Ende Januar 2018 entschlossen, beim favorisierten Wohnheim anzufragen, die Optionen zu erfragen und Bedarf anzumelden.
Und nun geschah das Unerwartete in der Form, daß für Christian im Wohnhaus der Lebenshilfe Puchberg ein geeigneter Wohnplatz ab April 2018 zur Verfügung stehen wird (vorbehaltlich der nun parallel beantragten Kostengenehmigung durch das Land Niederösterreich) !
Das “Probewohnen” wird in Form einer “schleichenden Übersiedlung” stattfinden. Sein eigenes Zimmer im Wohnheim ist bereits reserviert. Das werden wir bis April für ihn einrichten. Dann fängt er in Woche 1 mit 1 Tag/1Nacht und 2 Tage/2 Nächte im Wohnheim an; wenn das klappt folgen 3 Tage/3 Nächte in Woche 2; und wenn das auch klappt dann folgen in Woche 3 oder 4 bereits 5 Tage/5 Nächte. Die für Christian gleichbleibenden “Sicherheits-Eckpfeiler” in diesen ersten Tagen seiner Übersiedlung werden sein
- die Lebenshilfe-Werkstatt im gleichen Ort, in der er untertags wie gewohnt weiter arbeitet, sowie
- die stundenweise Anwesenheit von uns Eltern in seinem neuen Zimmer im Wohnhaus Puchberg.
Zwar wird Christian ab April 2018 die Wochenenden (zumindest für die nächste Zeit, später 14-tägig) zu Hause bei uns Eltern verbringen Doch auch für uns Eltern wird die Übersiedlung eine gehörige administrative wie auch emotionale Umstellung sein, an die wir uns erst gewöhnen werden müssen. Das Lebenshilfe-Wohnhaus Puchberg übernimmt schließlich fast alle bisher von uns geleisteten Betreuungsaufgaben wie
- Aufwecken und Zu-Bett-bringen (inkl. Windel Anbringung/Entfernung/Entsorgung),
- Unterstützung bei Körperpflege, Zähneputzen und Stuhlgang,
- Essenszubereitung (Frühstück, Jause/Abendessen),
- medikamentöse Versorgung (Arzt-Rezepte, Verordnungsscheine, Apotheken- und Windel-Besorgung, Portionierung, Bereitstellung und Überwachung der Einnahme),
- Ablieferung/Abholung beim/vom Werkstatt-Shuttle-Bus,
- Wäsche und Bettwäsche waschen, trocknen, bügeln, einräumen, bereitstellen,
- Spielzeug- und Musik-Angebot täglich wechseln und bereitstellen,
- soziale Ansprache und Interaktion (Gespräch/Zuwendung, Information, Beantwortung von Fragen Christians),
- Hilfe bei Überforderung (Kleinreparaturen, Batteriewechsel, ...),
- Planung, Anmeldung und Begleitung bei Arztbesuchen (soweit wir als Eltern das nicht selbst für Christian beibehalten),
- Wäsche-Einkauf (soweit wir als Eltern das nicht selbst für Christian beibehalten),
- Spaziergänge, Einkäufe und Ausflüge mit Christian.
Da kommt also nun Einiges auf Christian und uns zu. Ein spannendes erstes Halbjahr 2018 ist damit für alle Beteiligten garantiert ...
Ansonsten: An Christians Seite wird noch lange gearbeitet. Themen sind:
- Chance Behinderung - für wen sie auch eine Chance sein kann und warum !
- Die schmale Gratwanderung zwischen Freude/Zuversicht und Zorn/Deppression ...
- Ratgeber - wie kann / soll / wird es weitergehen ?
- Hilfsorganisationen - wer kann etwas für Christian und/oder für die Eltern tun ?
- Lebensgestaltung - wie weit kann Christians Bedürfnissen auf selbstbestimmtes Leben als junger Mann entsprochen werden (z.B. Zärtlichkeit, Partner) und wer begleitet ihn auf diesem Weg außer den Eltern ?
- Finanzielles - wer kann / soll / wird das bezahlen, was für Christian getan werden kann / soll / muß ?